„Das Ganze verlagert sich gerade in den digitalen Raum“

Eingangsbereich der "Roten Meile" in Oberhausen
„Rote Meile“ in Oberhausen (Foto: Achim Halfmann / 2mind)

SOLWODI engagiert sich in Oberhausen für Frauen in der Prostitution – auch mit einem Fotoprojekt.

Oberhausen (2mind) – „Es braucht Soziale Arbeit in der Prostitution“, sagt Adina Weiß. Die Sozialarbeiterin ist für den Verein SOLWODI in Oberhausen tätig ist und berät Frauen aus der Prostitution. Die meisten dieser Frauen arbeiten auf der Flaßhofstraße, die als „Rote Meile Oberhausen“ firmiert. Viele kommen aus Südamerika, einige aus Spanien, Rumänien oder Bulgarien. Wenige der Frauen sind in Deutschland geboren. Die Altersspanne ist weit: „Da sind Frauen, bei denen ich nicht sicher bin, ob sie über 18 sind“, sagt Weiß. Und auch über 70-Jährige prostituieren sich. „Viele sind kurz da und schnell wieder weg“, so die Sozialarbeiterin. Eine Herausforderung für die Helferinnen liegt darin, Vertrauen zu den Frauen aufzubauen.

Adina Weiß sitzend
Adina Weiß, SOLWODI (Foto: Achim Halfmann/2mind)

Vertrauen kann durch regelmäßige Begegnungen entstehen. Dazu sind die Mitarbeiterinnen zweimal wöchentlich im Streetwork auf der Flaßhofstraße – mit Süßigkeiten und zum Smaltalk mit den Frauen. SOLWODI bietet zudem Hilfe bei Ämtergängen, bei Anträgen oder bei Problemen mit dem Ordnungs- oder Sozialamt. Die Arbeit des Vereins wird durch die Stadt gefördert.

Auch einen Ausstieg aus der Prostitution und den Neuanfang danach unterstützt SOLWODI. „Wir erleben immer mal wieder Frauen, die nach Unterstützung fragen, sich dann aber umentscheiden.“ Die Beraterinnen unterstützen Frauen bei der Suche nach sicheren Jobs oder einem Ausbildungsplatz, schreiben mit ihnen Bewerbungen und waren auch bei der Wohnungssuche involviert. Zwei Hauptamtliche mit 50%-Stellen und eine ehemalige Kriminalpolizistin als engagierte Ehrenamtliche gehören zum Team von SOLWODI Oberhausen.

Neben aufsuchender Arbeit und Beratung engagiert sich der Verein in der Prävention, etwa in Schulveranstaltungen zur Loverboy-Masche für Schülerinnen und Lehrkräfte. Und der Verein gestaltet Projekte, etwa ein Fotoprojekt anlässlich des 15-jährigen Jubiläums von SOLWODI Oberhausen im vergangenen Jahr.

Fotoprojekt: Gewalt sichtbar machen

„Kunst ist ein so wichtiges Medium, um sich auszudrücken, wenn man sonst keine Worte findet“, Mona Schmidt, die Kollegin von Adina Weiß bei SOLWODI Oberhausen. Schmidt begleitete das Projekt, bei dem Frauen in der Prostitution Einwegkameras erhielten, um zu fotografieren, was sie glücklich macht, was sie traurig macht und was sie beschäftigt.

Die Teilnahme an dem Projekt wurde vielen Frauen aus dem Umfeld der Beratungsstelle angeboten. „Alle waren interessiert, aber es haben am Ende nur zweieinhalb Frauen mitgemacht“, so Schmidt. So haben auch die Mitarbeiterinnen selbst fotografiert – mit Einverständnis der Frauen etwa deren Hände oder Spangen. Die beteiligten Frauen hatten Spaß an dem Projekt und erlebten, dass sie außerhalb der Prostitution etwas erreichen können. Schmidt: „Sie waren empowert.“

Die Bilder flossen in eine Ausstellung unter dem Titel „unsichtbar“ ein, die SOLWODI Oberhausen und der Verein Windrose in Kooperation mit Frauen helfen Frauen und kitev – Kultur im Turm im Juni in Oberhausen durchführten. Die Ausstellung widmete sich dem Thema „geschlechtsspezifische Gewalt“. Es ging darum, Gewalt gegen Frauen sichtbar zu machen. Schmidt weiter: „Vieles passiert hinter verschlossenen Türen.“

Bilder in der Ausstellung mit Betrachter
Impressionen der Ausstellung (Foto: Rebecca Schwarz)

Digitale Sexarbeit

In der Coronazeit mussten Bordellbetriebe schließen und nach der Pandemie war ein Rückgang der Nachfrage spürbar – auch auf der Flaßhofstraße, hat Adina Weiß beobachtet. Und weiter: „Wir wissen, dass sich das Ganze gerade in den digitalen Raum verlagert.“ Dieser Wechsel ins Digitale wirft neue Probleme auf, etwa die Frage, wer die Online-Profile erstellt und bedient: Die Frauen selber? Oder doch ihre Zuhälter? Auch die Beratungsarbeit wird nicht einfacher. „Im digitalen Raum ist es viel schwieriger, Vertrauen aufzubauen“, so Weiß.

Prostituiertenschutz funktioniert nicht

In diesem Sommer legte die Bundesregierung eine Evaluation zu dem 2017 in Kraft getretenen Prostituiertenschutzgesetz vor. „Das Gesetz hat bei seiner Einführung dafür gesorgt, dass viele Frauen vom Radar verschwunden sind“, sagt Weiß, insbesondere Frauen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Prostituierte aus Afrika oder anderen außereuropäischen Ländern seien in den Hintergrund gedrängt worden, das Gesetz habe deren Schutz erheblich verschlechtert, so Weiß weiter.

Die Ergebnisse im Evaluationsbericht gehen an der Lebensrealität vieler Frauen vorbei, ist Weiß überzeugt. Illegal in der Prostitution tätige Frauen oder wohnungslose Frauen seien bei der dem Bericht zugrunde liegenden Befragung nicht erreicht worden. Kritisch sieht Weiß zudem die Ausführungen zum Freiheitsbegriff in einem Zusatzgutachten zum Evaluationsbericht. „Bei Frauen aus Osteuropa verbindet sich Freiwilligkeit mit finanzieller Not“, sagt die Sozialarbeiterin.