München (2mind) – In der Bundesregierung wird über den richtigen Umgang mit Werbung für Kinderlebensmittel gestritten. Jetzt schalten sich 61 Organisationen aus Wissenschaft, Kinder- und Verbraucherschutz ein und fordern umfassende Werbebeschränkungen. Die Kritik geht vor allem in Richtung FDP.
Der Hintergrund: In ihrem Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien vereinbart: “An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben.” Nun streiten in der Bundesregierung Grüne und FDP darüber, wie umfangreich das Werbeverbot sein soll. Der offene Brief, den u.a. der AOK-Bundesverband, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, die Deutsche Diabetes Gesellschaft, das Deutsches Krebsforschungszentrum und das Deutsche Kinderhilfswerk unterzeichnet haben, liegt der Süddeutschen Zeitung (SZ) vor und kritisiert das FDP-Engagement für eingeschränkte Werbeverbote. Mit ihrer Ablehnung stelle sich die Partei “gegen den einhelligen Konsens in der Wissenschaft und unter Fachorganisationen”, heißt es laut SZ in dem Schreiben.
Es geht um die Kinder- und Jugendgesundheit
Experten und Verbände fordern seit längerem verpflichtende Werbeverbote für ungesunde Lebensmittel zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, so auch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Dabei bezieht sich die WHO auf Studien, nach denen sich weniger Reklame positiv auf die Essensauswahl von Kindern auswirken – wenn die Einschränkungen für alle Werbekanäle gelten.
Die Kritik von Fachleuten an der Werbung der Lebensmittelindustrie ist grundsätzlich: „Die Lebensmittelindustrie bewirbt fast ausschließlich ungesunde Nahrungsmittel, die viel Zucker, Fett oder Salz enthalten und welche die Entstehung von Übergewicht fördern“, erklärte Thomas Fischbach, der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt:innen, im Juli. „Da die Ernährungsgewohnheiten in Kindheit und Jugend geprägt und dann zu einem hohen Grad im Erwachsenenalter beibehalten werden, versucht die Lebensmittelindustrie, Kinder als Kunden von morgen mit Hilfe spezieller Kinderprodukte und entsprechender Werbung frühzeitig an Marken und Produkte zu binden. Daten belegen, dass Kindermarketing das Risiko erhöht, überschüssiges Gewicht zuzulegen.“ Freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie hätten sich als wirkungslos erwiesen. Fischbach fordert daher verpflichtende Regelungen, wie sie aktuell in der Bundesregierung diskutiert werden.
Pädagogen gefordert
Der Mediziner ist zugleich Vorsitzender des Bündnisses Kinder- und Jugendgesundheit. „Das Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit ist überzeugt, dass ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richten, einen positiven Effekt auf die Prävention von Übergewicht, Fettleibigkeit und chronischen Krankheiten wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben wird“, teilte der Zusammenschluss im Juli gegenüber der Presse mit. Ein Werbeverbot solle durch weitere Maßnahmen flankiert werden: eine Zuckersteuer, eine steuerliche Begünstigung von gesunden Lebensmitteln – und Ernährungsbildung.
Hier sind insbesondere Pädagogen in der Elementarpädagogik, den Schulen und der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit gefragt.
- Programm zur Ernährungsbildung werden in vielen Einrichtungen umgesetzt. Gehört dazu auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Werbung?
- Wie können Kinder und Jugendliche in ihrer kritischen Reflexion solchen Lebensmittelwerbungen gestärkt werden?
Schreiben Sie uns Ihre Erfahrungen und Ihre Meinung an redaktion@2mind.org oder kommentieren Sie hier.
- Die frei lesbare Meldung > in der SZ
- Die > WHO-Richtlinien zur an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung (Juli 2023)
- Die > Forderungen des Bündnisses Kinder- und Jugendgesundheit e.V.