Wie Clickworker in Kenia ausgebeutet werden

Nairobi, Kenia (Foto: Achim Halfmann)

Hamburg / New York (2mind) – Wenn Künstliche Intelligenz (KI) kritisch beleuchtet wird, geht es dabei um die unautorisierte Datensammlung im Internet oder den enormen Energieverbrauch. Jetzt rückt ein weiteres Thema in den Fokus der Medien: die Menschen hinter dieser Technologie. Denn KI durchforstet sie nicht nur selbständig das Internet: Es braucht die Unterstützung von Menschen, die solche Daten etikettieren und mit Bewertungen versehen. Diese sogenannten Clickworker oder Klickarbeiter leben zum Beispiel in Kenia oder Kolumbien und werden mit Niedriglöhnen abgespeist.

Der Begriff Clickworker bezeichnet Menschen, die nach dem Crowdsourcing-Prinzip Aufgaben und Projekte ohne Festanstellung übernehmen. Etwa zwei Dollar pro Stunde verdient ein Clickworker in Kenia, der für OpenAI Texte analysiert. Das zeigten Recherchen des Time Magazine Anfang des Jahres. Nach Time-Recherchen versendet die Firma hinter ChatGPT seit November 2021 Tausende von Textschnipseln nach Kenia. Dort werden sie von den Clickworkern mit Anmerkungen versehen, wenn etwa Gewalt, sexualisierte Inhalte oder Rassismus in diesen Texten auftauchen. Denn ChatGPT soll solche Inhalte nicht ungefiltert weitergeben. Drei kenianische Mitarbeiter berichteten dem Time Magazine, dass von ihnen die Bearbeitung von 150 bis 250 Textpassagen mit 100 bis 1.000 Worten pro 9-Stunden-Schicht erwartet wurde. Darunter seien auch Beschreibungen extrem unangemessener sexueller Handlungsweisen. Die Entlohnung der Clickworker lag je nach Leistung und Verantwortung zwischen 1,32 und zwei US Dollar pro Stunde.

Das Magazin Spiegel hatte im Juli über Clickworker und festangestellte kenianische Mitarbeiter berichtet, die Texte für Open AI kategorisieren: Danach gehören Berichte über Kindesmissbrauch, Erzählungen von Leichenschändungen und Schilderungen von Inzest zu den Textvorlagen.

Eine aktuelle Reportage der Tagesschau berichtet über kenianische Clickworker, die für das Outsourcing-Unternehmen Cloudfactory arbeiten und einen Stundenlohn von 1,20 Euro erzielen. Der Bericht stellt zwei junge Männer vor, denen nach ihrem abgeschlossenen Studium wegen der schwierigen Wirtschaftslage nur die schlecht bezahlte Klickarbeit für Cloudfactory bleibt. “Es hat etwas von Sklavenarbeit. Denn die Menschen hier haben keine andere Wahl. Es gibt kaum Jobs”, sagt John in dem Beitrag.

Die beiden kenianischen Clickworker kritisieren ihren Arbeitgeber zudem für dessen Eingriff in ihre Privatsphäre. Gearbeitet wird von zuhause aus; Cloudfactory kontrolliert die Mitarbeiter mit digitalen Tools. Das Unternehmen nutzt einen speziellen Browser, um Screenshots von den privaten PCs der Arbeiter zu erstellen und auf deren Webcams zuzugreifen. “Das ist ein Übermaß an Überwachung”, so John gegenüber der Tagesschau.

Weltweit leisten nach Recherchen des öffentlich-rechtlichen Senders zehn Millionen Menschen die Bearbeitung von Trainingsdaten- viele davon über sogenannte Crowdwork-Plattformen. „Die digitale Arbeit ist prekär, weil sie rund um die Uhr stattfinden kann, weil sie schlecht bezahlt wird und dabei einem globalen Unterbietungswettbewerb ausgesetzt ist”, sagte der Digitalökonomie-Forscher Fabian Ferrari von der Universität Utrecht der Tagesschau. Klickarbeit findet vor allem in Niedriglohnländern wie Kenia, Pakistan Venezuela statt.

„Die Clickwork-Industrie ist das unsichtbare Rückgrat vieler KI-Technologien, und der wachsende Markt für Datenetikettierungslösungen von Drittanbietern hatte 2019 einen Wert von 1,7 Mrd. US-Dollar und wird bis 2024 voraussichtlich 4,1 Mrd. US-Dollar erreichen. 2024“, schreibt Thilo Hagendorf (2022). Diese Arbeitnehmer seien überwiegend vom Mindestlohn oder anderen Arbeitnehmerschutzgesetzen ausgenommen; gelegentlich werde die Etikettierung von Gefängnisinsassen durchgeführt. „Grob gesagt, ist das typische Muster der Bereitstellung von Arbeitskräften aus dem Globalen Süden für den Globalen Norden wird fortgesetzt“, so Thilo Hagendorf.

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