Tuam (2mind) – In zahlreichen Ländern werden tragische Zustände in der Heimerziehung aufgearbeitet. Ein besonders menschenverachtendes Beispiel wird aus Irland berichtet: Dort wurden bereits 1975 in einer nicht mehr benutzten Klärgrube auf dem Gelände eines ehemaligen Heimes für vernachlässigte Frauen mit Kindern zahlreiche Skelette gefunden. Das Heim bestand in der Stadt Tuam in der Grafschaft Galway. Da Anzahl und Identität der Toten unklar blieb, wurde der Fall polizeilich nicht untersucht. Jetzt aber sollen die Kinderleichen exhumiert werden.
Die Lokalhistorikerin Catherine Corless berichtete 39 Jahre nach diesem Fund, dass zwischen 1925 und 1961 in dem Heim 796 Totenscheine für Babys ausgestellt worden waren, aber nur eine einzige Bestattung beurkundet wurde. Im selben Jahr 2014 folgten Meldungen über ein Massengrab mit Babys. Die Regierung richtete eine Untersuchungskommission ein, die Vorgänge aus insgesamt 14 irischen Mutter-Kind-Heimen und vier Sozialeinrichtungen, sogenannten County Homes, aufarbeitete und ihren Bericht 2021 vorlegte:
Laut diesem Bericht starben zwischen 1922 und 1998 etwa 9.000 Kinder in Heimen, die von der Regierung kontrolliert und von religiösen Organisationen, oft von der katholischen Kirche, geleitet wurden. Während dieser Zeit lebten und entbanden etwa 35.000 zumeist unverheiratete Frauen dort. Die Sterblichkeitsrate der Kinder galt als unverhältnismäßig hoch. Häufigste Todesursachen waren Atemwegserkrankungen und Magen-Darm-Entzündungen.
Das Heim in Tuan wurde von Nonnen der Bon Secours Sisters geleitet. Dort starben Kinder auch an Unterernährung. „Von 1940 bis 1961 haben sie die Leichname in den stillgelegten Kammern entsorgt“, sagt die Historikerin Corless der Tageszeitung „taz“ mit Blick auf den Fund in den Kammern des hauseigenen Abwassersystems. „Im Durchschnitt starb alle zwei Wochen ein Kind.“
Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) entschuldigte sich eine Vertreterin des Ordens der Schwestern von Bon Secour später für den Umgang mit Frauen und Kindern in der Einrichtung und die “respektlose und inakzeptable” Art und Weise, wie Säuglinge begraben wurden. „Wir haben unser Christsein beim Betreiben dieses Heimes nicht gelebt“, so Schwester Eileen O’Connor, Leiterin des Ordens in Irland, nach dem SZ-Bericht.
Von der nun beschlossenen Exhumierung berichtet die taz. Danach soll die komplizierte forensische Operation von Daniel McSweeney, einem früheren Vorstand des Internationalen Roten Kreuzes, geleitet werden. Die Leichen von Kindern, die identifiziert werden können, sollen ihren Verwandten übergeben werden.