Schuldnerberatung … nicht nur in der Straffälligenhilfe

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„Über Geld spricht man nicht: Geld hat man.“ Das sagt der Volksmund und mancher wird dabei denken: „Schön wär’s, aber ich habe kein Geld: Ich habe Schulden.“

Von Achim Halfmann

Fast 600.000 Menschen in Deutschland suchten im vergangenen Jahr eine Schuldnerberatungsstelle auf, berichtet das Statistische Bundesamt. Die häufigsten Auslöser der Überschuldung bei diesen Ratsuchenden waren Arbeitslosigkeit, Trennung, Scheidung oder Tod des Partners, Erkrankung, Sucht, ein Unfall oder eine gescheiterte Selbstständigkeit. Jede zweite ratsuchende Person lebte in einem Singe-Haushalt.

Die Auswirkungen einer Verschuldung sind oft verheerend, wie bei den Eheleuten Peter und Monika (Namen geändert), die sich Ende August in Scheideweg meldeten: Fünf Kinder, ebenso viele Kreditkarten, Kredit- und Konsumschulden und so droht – trotz einem stabilen Einkommen – das Eigenheim „unter den Hammer“ zu kommen. Wenn Forderungen nicht mehr bedient werden können, werden Inkassobüros eingeschaltet, Mahn- und Vollstreckungsverfahren eingeleitet – und die Kosten explodieren. Gehaltspfändungen gefährden zudem die Stellung im Beruf.

Wer in der Straffälligenhilfe arbeitet, der erlebt: Ein erheblicher Teil der Menschen mit einer kriminellen oder Drogen-Vergangenheit bringt Schulden mit. Das gilt auch für die jungen Leute in den Wohngemeinschaften der Gefährdetenhilfe SCHEIDEWEG. Deshalb hat unser Verein sich von Anfang an mit dem Thema Verschuldung beschäftigt und führt seit 1999 eine anerkannte Insolvenzberatungsstelle.

„Privatinsolvenz“ ist ein wichtiges Stichwort für die Betroffenen: „Insolvenz“ bezeichnet die Situation, in der eine Firma oder eine Person ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr begleichen kann. „Privatinsolvenz“ benennt ein gerichtlich eingeleitetes Verfahren, bei dem ein Schuldner über einen Zeitraum von drei Jahren sein Vermögen und sein Einkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze für die Begleichung seiner Schulden einsetzt – und danach einen Schuldenerlass erhält. Das erinnert an das „Erlassjahr“ (oder „Jubeljahr“) im Alten Testament: In jedem 50. Jahr sollten sich die Israeliten gegenseitig alle Schulden erlassen (3.Mose 25,8-55). Privatinsolvenz und Erlassjahr haben gemeinsam: Überschuldete Menschen erhalten die Chance zu einem Neuanfang.

Damit ein gerichtliches Privatinsolvenzverfahren eingeleitet werden kann, muss ein Schuldner zuvor eine Insolvenzberatungsstelle aufsuchen und mit deren Unterstützung eine außergerichtliche Einigung mit seinen Gläubigern versuchen. Für die Arbeit in SCHEIDEWEG bedeutet das: Mit den betroffenen Männern aus unseren Wohngemeinschaften und einzelnen Menschen aus unserer Stadt sortieren wir zunächst einmal die Gläubigerpost. Mancher bringt einfach nur einen Haufen geöffneter und ungeöffneter Post mit. Dann wird die aktuelle Höhe der Forderungen in Erfahrung gebracht, den Gläubigern wird ein Regulierungsvorschlag unterbreitet und es werden – falls dieser scheitert – Privatinsolvenzanträge an das Gericht vorbereitet. Zudem versuchen wir, weitere Kosten durch Mahnverfahren und Vollstreckungen zu vermeiden.

Und wir wollen vorbeugen, einen verantwortungsvollen Umgang mit Finanzen stärken. Deshalb sprechen wir in unseren Wohngemeinschaften über Geld, reflektieren den Umgang damit gemeinsam und vermitteln Hintergrundinformationen zu Finanzthemen.

Finanzbildung soll in unseren allgemein- und berufsbildenden Schulen einen festen Platz besitzen (was nicht immer der Fall ist) und auch für die (konfessionelle) Jugendarbeit wäre ein gutes Motto: „Über Geld spricht man.“ Denn die Art und Weise, wie wir unser Geld ausgeben, steht mit anderen Lebensfragen in engem Zusammenhang: Was macht uns glücklich? Was verleiht uns Wert? Was gibt uns Sicherheit? Worauf kann ich – für höhere Ziele – verzichten? Themen, zu denen nicht nur die Werbeindustrie, sondern auch die Bibel einiges zu sagen hat …

Kontakt zur Beratungsstelle > über deren Website

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