Gewalt: Strukturproblem in der Kindertagesbetreuung

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Es fehlen klare Regeln, genug Personal, klare Schutzkonzepte und Reflexionsräume. Sexualisierte Übergriffe unter Kindern werden häufig nicht als solche wahrgenommen.

Berlin (2mind) – Gewalt in der frühkindlichen Betreuung ist kein Randphänomen ist, sondern tief in den institutionellen Rahmenbedingungen verwurzelt ist. Und sie wird oft tabuisiert. Darauf verweist das Arbeitspapier „Verletzendes Verhalten in der Kindertagesbetreuung: Anspruch und Realität“ von Nikolaus Meyer und Elke Alsago.

„Fehlendes Personal, hohe Gruppengrößen und unklare Schutzkonzepte führen zu einer schleichenden Normalisierung von Gewalt, die im Alltag kaum noch hinterfragt wird“, heißt es in dem Text. Ein Problemfeld sei die unzureichende Regulierung von Nähe und Distanz im Kita-Alltag. „Während Körperkontakt in der Betreuung von Kleinkindern notwendig ist, fehlen vielen Fachkräften klare fachliche Leitlinien, um Übergriffe zu vermeiden.“

Gewalt trete in verschiedenen Formen auf, darunter psychische, physische und sexualisierte Gewalt, sowohl zwischen Kindern als auch durch Fachkräfte. Besonders problematisch sei die Normalisierung von Gewalt im Alltag, die oft nicht hinterfragt wird. So verweisen Meyer und Alsago auf das Thema sexualisierte Gewalt in Kitas, die sowohl von Fachkräften als auch von anderen Kindern ausgehen könne. „In pädagogischen Kontexten zeigen sich Übergriffe häufig in Form von unangemessenen Berührungen, sexualisierten Sprachspielen oder dem Fehlen klarer Regelungen zu Nähe und Distanz“, heißt es in dem Text. Studien zeigten, dass sexualisierte Übergriffe unter Kindern nicht selten vorkommen, aber häufig nicht als solche wahrgenommen und daher nicht bearbeitet werden.“

In der wenig erforschten Kindertagespflege erschwere die Ein-Personen-Struktur eine Kontrolle und Reflexion. Schutzkonzepte seien zwar vorhanden, würden jedoch selten überprüft.

Meyer und Alsago fordern umfassende Reformen, um Gewalt zu reduzieren. Dazu gehören bessere Personalschlüssel, verpflichtende Schutzkonzepte und regelmäßige Reflexionsräume für Fachkräfte. Kinder und Beschäftigte sollen stärker in Entscheidungen einbezogen werden, um eine gewaltfreie Kultur zu fördern. Die Ergebnisse zeigten, dass Gewaltprävention nicht nur individuelle Maßnahmen erfordert, sondern auch strukturelle Veränderungen in den Einrichtungen. „Nur durch strukturelle Veränderungen kann verhindert werden, dass Gewalt in der frühkindlichen Betreuung als unvermeidlich hingenommen wird“, heißt es in dem Text.

Der Text „Verletzendes Verhalten in der Kindertagesbetreuung: Anspruch und Realität“ von Nikolaus Meyer und Elke Alsago ist unter einer offenen Lizenz in der Reihe ver.di-Schriften zur Sozialen Arbeit veröffentlicht.

 > Der Text als PDF

 

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