Sterbebegleitung im Justizvollzug: Würde bewahren

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Die Pfarrerin im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg, Larissa Hachmann-Figgen, berichtet. Das plant die Justiz NRW im Blick auf sterbende Gefangene.

Fröndenberg (2mind) – Die Zahl der Senioren im Strafvollzug steigt: Waren 1994 noch 0,1 Prozent der Gefangenen über 70 Jahre alt, so machte diese Gruppe 2024 bereits 1,3 Prozent aus, sagte der Kriminologe Merten Neumann vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen der Süddeutschen Zeitung. Das steigende Alter der Inhaftierten stellt den Vollzug vor neue Herausforderungen. Über das Sterben im Gefängnis sprach 2mind mit Pfarrerin Larissa Hachmann-Figgen, die als evangelische Seelsorgerin im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg arbeitet. Dort entsteht derzeit ein Fachbereich für Hospiz- und Palliativmedizin mit drei Betten.

Justizvollzug als sicherer Ort

Warum sterben Menschen überhaupt hinter Gittern? Warum wird ihnen nicht für die letzten Tage ihres Lebens Freiheit gewährt? In einer solchen Situation werde als Erstes über die Möglichkeit einer Haftentlassung gesprochen, sagt Hachmann-Figgen. Aber: „Eine Entlassung sterbender Gefangener ist manchmal aus vollzugsrechtlichen Gründen und wegen der nötigen Sicherheitsmaßnahmen nicht möglich, insbesondere bei langen Reststrafen.“ Zudem sei es mitunter schwierig, Pflegeheime für diese Gefangenen zu finden. Die Pfarrerin weiter: „Gefangene, die über eine lange Zeit im Strafvollzug waren, erleben die Haftanstalt manchmal als sicheren und guten Ort, und eine Verlegung nach draußen wäre eine Überforderung.“

Würdevolles Sterben ermöglichen

So kommt es, dass in den zurückliegenden zehn Jahren 98 ältere Inhaftierte über 60 Jahre in nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten verstarben, darunter acht durch Suizid. So berichtete es im April das NRW-Justizministerium dem Düsseldorfer Landtag. „Sterbende Gefangene werden intensiv begleitet“, berichtet die Pfarrerin. „Hier sind insbesondere die Pflegekräfte sehr engagiert, um ihnen ein würdevolles Sterben zu ermöglichen. Auch der Sozialdienst und Psychologen schauen öfter nach diesen Menschen.“ Der Haftraum werde etwas wohnlicher gestaltet. Und den Gefangenen würden nach Möglichkeit Wünsche erfüllt, etwa im Blick auf Kontakte zu Verwandten. Hachmann-Figgen weiter: „Die Besuchszeiten spielen dann eine nicht so große Rolle, es sind Besuche für einen halben Tag möglich.“ Eine Übernachtung von Angehörigen sei aber – anders als in Hospizen – im Justizvollzugskrankenhaus nicht möglich.

Seelsorge unter Druck

Generell sei der Wunsch nach seelsorgerlicher Begleitung im Justizvollzugskrankenhaus sehr groß, berichtet Hachmann-Figgen. Auch in Sterbesituationen ist die Seelsorge gefragt: „Als evangelische und katholische Seelsorger begleiten wir diese Menschen ebenso, wenn wir zum Gespräch angefordert werden, und schauen darüber hinaus auch im Alltaggeschehen häufiger vorbei.“ Die evangelische Pfarrerin und ihr katholischer Kollege arbeiten dabei unter Druck. „Manchmal ist es schwierig allen Gesprächsanfragen nachzukommen“, so Hachmann-Figgen. „Zum einen, weil es sehr viele sind, zum anderen, weil die Erkrankten oft sehr kurze Verweildauern hier im Krankenhaus haben.“

Beisetzungen manchmal anonym

Wie geht es nach dem Tod eines Gefangenen weiter? „Verstorbene Gefangene werden manchmal an Bestatter übergeben, die von den Angehörigen beauftragt wurden“, sagt Hachmann-Figgen. Einige der Angehörigen hätten zuvor mit dem Verstorbenen über seine Wünsche für die Bestattung gesprochen. „Gibt es keine nahen Angehörigen, findet eine soziale Bestattung statt.“ Die werde durch das Ordnungsamt organisiert und teilweise als anonyme Bestattung durchgeführt. Die Pfarrerin ergänzt: „Oft ist es auch so, dass andere Mitgefangene wissen wollen, wo eine Beisetzung stattgefunden hat, gerade dann, wenn sie über lange Zeit mit dem Verstorbenen zusammen waren.“

Das plant der Justizvollzug NRW

Im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg wird derzeit die Einrichtung eines eigenständigen Fachbereichs „Hospiz-/Palliativmedizin“ erprobt. Es sollen drei Betten vorgehalten werden, um Gefangene mit einer weit fortgeschrittenen Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung im Justizvollzug rund um die Uhr medizinisch angemessen versorgen und professionell psychologisch, sozial und spirituell begleiten zu können. Wie der Pressesprecher des Justizvollzugskrankenhauses weiter mitteilte, erfolgt bei Aufnahme zuerst eine gründliche Anamnese. Ärztliche und pflegerische Maßnahmen richten sich dann darauf aus, Schmerzen zu reduzieren und die verbleibende Lebenszeit so angenehm wie möglich zu gestalten. Während der Erprobungsphase ist die palliative Arbeit integriert in die bestehenden Abläufe des Justizvollzugskrankenhauses. Über die Einrichtung eines palliativen Fachbereichs werde im Anschluss unter Berücksichtigung der in der Erprobung gewonnenen Erkenntnisse entschieden.


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