
DIW: Kriminalitätsfurcht steigt in Zeiten gesellschaftlicher Veränderungen
Berlin (2mind) – Sinkende Kriminalitätsraten gehen nicht immer mit einer sinkenden Kriminalitätsfurcht einher – und steigende Kriminalitätsraten erhöhen die Kriminalitätsfurcht nicht automatisch. Das zeigt ein heute vorgestellter Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Danach kann Kriminalitätsfurcht besonders in Zeiten gesellschaftlicher Veränderungen zunehmen – unabhängig vom Kriminalitätsaufkommen. Zudem ist Kriminalitätsfurcht gesellschaftlich und regional ungleich verteilt.
Seit 25 Jahren sinkt die Zahl der in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Straftaten pro 100.000 Einwohner der deutschen Bevölkerung. Erst seit 2022 verzeichnen sie wieder einen Anstieg, liegen allerdings weiter deutlich unter dem Niveau des Jahres 2000. Auch die Kriminalitätsfurcht nahm bis zum Jahr 2013 ab, verzeichnete dann aber zwischen 2014 und 2017 einen deutlichen Anstieg – ohne eine entsprechende Entwicklung bei den Kriminalitätszahlen. Die Wissenschaftler verweisen darauf, dass diese Phase mit der Fluchtzuwanderung 2015/16 und mehreren Terroranschlägen in Europa durch große gesellschaftliche Veränderungen geprägt war. Seit dem Jahr 2018 folgt die Entwicklung der Kriminalitätsfurcht wieder der Entwicklung der Kriminalitätsrate.
Regional zeigt sich im Blick auf das persönliche Sicherheitsempfinden ein Nord-Süd-Gefälle: Menschen im Süden Deutschlands fühlen sich sicherer als Menschen im Norden. Als auffällig bezeichnen die Autorinnen: Das Sicherheitsgefühl liegt in zahlreichen Großstädten trotz höherer Kriminalitätsbelastung im mittleren Bereich. Daraus lässt sich laut Bericht ableiten, „dass Kriminalitätsfurcht und -belastung zwar zusammenhängen, letztere aber nicht allein das Sicherheitsempfinden bestimmt.“
Zudem ist die Kriminalitätsfurch gesellschaftlich ungleich verteilt. Im Durchschnitt weniger Sorgen über die Kriminalitätsentwicklung machen sich Männer, Personen unter 30 Jahren, Menschen mit Migrationshintergrund, mit Hochschulabschluss oder mit einem höherem Nettoerwerbseinkommen. Menschen über 60 Jahre zeigen eine deutlich höhere Kriminalitätsfurcht.
Kriminalitätsfurcht kann schützen
Kriminalitätsfurcht hat dabei auch etwas Gutes: Sie kann „zu Vermeidungsverhalten führen, das das Risiko, Opfer zu werden, senkt“, schreiben die Autorinnen Anna Bindler und Hannah Walther.
„Gerade in Zeiten großer Veränderungen braucht es eine sachliche und transparente Kommunikation, damit subjektive Wahrnehmung von Kriminalität und faktische Sicherheitslage nicht auseinanderdriften“, so die Autorinnen weiter. Ihrer Auffassung nach sollte die Politik „einen sachlichen Diskurs anstreben, der auf Fakten und Aufklärung setzt und keine unnötigen Ängste und Verunsicherungen auslöst.“
Der Bericht beruht auf den Daten des Sozio-ökonomischen Panels und des Gleichwertigkeitsberichts der Bundesregierung 2024.
- Der > Bericht „Das Sicherheitsgefühl in Deutschland ist sozial und regional ungleich verteilt“ des DIW
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