
Das Beispiel des Hamburger Autorenkollektivs „FundiWatch“ – ein Kommentar von Achim Halfmann
Hamburg (2mind) – Unter dem Namen „Recherchekollektiv FundiWatch“ veröffentlichten drei Autorinnen und Autoren in dieser Woche die Handreichung „Christlicher Fundamentalismus & Soziale Arbeit“. Der Text soll gegenüber christlich-fundamentalistischen Aktivitäten in der Sozialen Arbeit sensibilisieren sowie Strategien und Netzwerke des christlichen Fundamentalismus in Deutschland analysiert, heißt es dazu auf der Website. Das Autorenkollektiv setzt sich allerdings nicht aus Journalisten zusammen, sondern aus Personen mit eigener ideologischer und politischer Agenda.
Vorab: Der Text ist lesenswert und sein Anliegen, auf mögliche Spannungsfelder zwischen christlich-fundamentalistischen Glaubenseinstellungen und ethischen Standards professioneller Sozialer Arbeit hinzuweisen, durchaus berechtigt. So müssen glaubensbasierte Einrichtungen reflektieren, wie sich Mission und Diakonie (die aus dem christlichen Glauben motivierte Soziale Arbeit) zueinander verhalten und wie eine klient-zentrierte Arbeit konkret sichergestellt werden kann. Gerade die Arbeit mit vulnerablen Personengruppen erfordert ein hohes Maß an Sensibilität, Selbstreflexion und Transparenz. Ziemlich pauschal heißt es allerdings in dem Text: „Bei christlich-fundamentalistischen Akteur*innen in der Sozialen Arbeit bestehen häufig Zweifel, ob ein professionelles Nähe-Distanz-Verhältnis gewahrt wird.“
Über weite Strecken liest sich der Text wie eine Kampfschrift, was an der ideologischen Herkunft der Autorinnen und Autoren liegen mag: Zoe Luginsland äußert sich an anderer Stelle für das „Bündnis Selbstbestimmung Selbst Gemacht“, einem politischen Netzwerk von Trans- und Non-Binary-Personen. Der Jurist Matthias Pöhl ist als Autor bei MIT, dem politischen Magazin für Konfessionslose und Atheist:innen gelistet. Ruby Rebelde ist als Sexarbeiterin tätig und war von 2019 bis 2022 Vorständin beim Verein Hydra, der sich für die rechtliche und soziale Gleichstellung von Sexarbeiter:innen mit anderen Erwerbstätigen einsetzt. Alle drei können als politische Aktivist:innen in einem von konservativen Christinnen und Christen weit entfernten gesellschaftlichen Spektrum bezeichnet werden.
Und so leistet die Schrift einen Beitrag zur ideologischen Frontbildung, wenn es dort heißt, mit christlich-fundamentalistischen Glaubenseinstellungen sei häufig das Ziel einer (moral-) politischen Einflussnahme verbunden. Als Beispiel dazu wird das Eintreten für ein Sexkaufverbot genannt. Daran anschließend werden theologische Positionen pauschal diskreditiert: „Wie intensiv die Bemühungen um entsprechende politische Einflussnahme ausfallen, hängt vom jeweiligen ‚Endzeitverständnis‘ ab.“
In den zurückliegenden Jahren hat der Erfolg rechtskonservativer und populistischer Politiker in den USA, Brasilien und in einigen europäischen Ländern die Rolle evangelikaler Christen bei der politischen Meinungsbildung in das mediale Interesse gerückt. Hier wollen die Autorinnen und Autoren offensichtlich andocken, indem sie das Engagement für den Prostituiertenschutz nicht als in der Sache, sondern in Glaubensüberzeugungen begründet beschreiben. Das wird der Situation der Menschen in den Bordellen und auf dem Straßenstrich nicht gerecht:
In der Prostitution sind selbstbestimmt handelnde Menschen anzutreffen – möglicherweise deutlich zahlreicher allerdings vulnerable und ausgebeutete Männer und Frauen. Der Prostituiertenschutz darf daher nicht zum ideologischen Kampfgebiet werden. Es muss zuallererst darum gehen, wie Menschen zu einem selbstbestimmten und zukunftsoffenen Leben verholfen werden kann.
- Die > Handreichung „Christlicher Fundamentalismus & Soziale Arbeit“ als PDF
- Das > Autorenkollektiv FundiWatch
- 2mind berichtet in einer > Beitragsserie zum Prostituiertenschutz