Wuppertal (2mind) – „Eine angemessene, das Kindeswohl wahrende Aufnahme, Versorgung, Betreuung und Begleitung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) ist derzeit an vielen Orten Deutschlands nicht mehr gewährleistet.“ Mit diesem Statement trat der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Dezember an die Öffentlichkeit. Das Positionspapier wurde inzwischen von über 370 Dachverbände, Träger, Organisationen und Einzelpersonen unterzeichnet. Die Kernforderung darin lautet: „Kindeswohl für alle Kinder und Jugendlichen sichern“.
Die steigende Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge trifft in Deutschland auf ein deutlich geschwächtes Ankunfts- und Betreuungssystem. „Die Unterbringungssituation gestaltet sich vielerorts als zunehmend katastrophal“, heißt es in dem Papier. In der Inobhutnahme fehle es an geeigneten Plätzen für junge Menschen mit komplexen Bedarfen. Freien Trägern falle es zunehmend schwer, Fachkräfte für ihre Angebote zu finden.
Für die jungen Flüchtlinge gelten eigentlich die Standards des SGB VIII; einige Bundesländer hätten die Standards aber für diese Zielgruppe abgesenkt. Unbegleitete junge Flüchtlinge werden teilweise in Großunterkünften wie Turnhallen untergebracht, zeitweise auch in Einrichtungen für erwachsene Geflüchtete. Und eine Rund-um-die-Uhr-Begleitung ist für diese jungen Menschen mancherorts nicht gewährleistet.
Probleme mit der Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge bestünden insbesondere in Ballungsgebieten, in denen viele dieser jungen Menschen ankommen, sagt Helen Sundermeyer vom Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Gespräch mit 2mind. Betroffen seien etwa Berlin und Bremen, aber auch Sachsen und Sachsen-Anhalt. Sie höre zudem, dass in fast allen Stellen die Lage angespannt sein. Seit 2017 seien Unterbringungsstrukturen abgeschafft worden. „Die Probleme waren absehbar“, sagt Sundermeyer.
Die Expertin verweist insbesondere auf das Fachkräfteproblem in der Flüchtlingshilfe. Die Arbeit dort sei „super-anstrengend und fordernd“. Durch viele fachfremde Mitarbeitende und Beschäftigungsverhältnisse, deren Bestand von Fluchtbewegungen abhänge, werde das Arbeitsfeld unattraktiver. Wie Sundermeyer weiter berichtet, hat das Bundesfamilienministerium in dieser Woche auf das Positionspapier reagiert und Gesprächsbereitschaft signalisiert.
Zu den Unterzeichnern des Papiers gehört die Diakonie Wuppertal. In Nordrhein-Westfalen seien Standards für die Unterbringung minderjähriger Flüchtlinge nicht geschlossen abgesenkt worden, sagt Bärbel Hoffmann aus der Geschäftsführung der Diakonie Wuppertal – Kinder – Jugend – Familie. Allerdings sei auch in Wuppertal spürbar, dass sich die Anfragen vermehrten und keine neuen Plätze geschaffen würden. „Die Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe müssen mehr werden“, so Hoffmann.
In der stationären Jugendhilfe seien heute durchweg junge Menschen untergebracht, die etwa aufgrund von Traumatisierungen und sexualisierter Gewalt extrem belastet seien. Hoffmann weiter: „Bei geflüchteten jungen Menschen kommt oft hinzu, dass sie aus Ländern kommen, wo es eine extreme Gewalterfahrungen gegeben hat.“ Die Jugendhilfe kenne sich mit der Situation dieser jungen Menschen aus. Allerdings fehle es an therapeutischen Angeboten – ambulant ebenso wie stationär. „Wir haben es da in der Regel mit jungen Leuten zu tun, die traumatisierende Erfahrungen gemacht haben und viel Unterstützung und Begleitung brauchen“, sagt Hoffmann.
Das Forderungspapier > im Internet