Hückeswagen (2mind) – Die Gefährdetenhilfe Scheideweg besucht mit ehrenamtlichen Mitarbeitern 14 Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen und sie unterstützt in ihren Wohngemeinschaften junge Menschen aus sozialen Krisen bei einem Neuanfang. Dazu gehören auch Betriebe mit ihren Angeboten ans Arbeitstraining und Ausbildung. Nils Andersen hat gerade bei Geschenke Scheideweg seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann beendet. Vor drei Jahren kam er aus einer Lebenssituation nach Scheideweg, die durch Depressionen und Sucht geprägt war. Hier berichtet Nils, was ihm heute Halt gibt. Das Gespräch führte Achim Halfmann.
Achim Halfmann: Nils, herzlichen Glückwunsch zu dieser mit gutem Ergebnis bestandenen Abschlussprüfung! Wie war diese Ausbildung für Dich, war das eine anstrengende Zeit, war das eine schöne Zeit?
Nils Andersen: Das war wirklich eine sehr schöne Zeit – und natürlich auch sehr herausfordernd. Es gibt Momente, wo man denkt: „Am liebsten will ich aufhören“. Aber da lernt man dann sich durchzubeißen und das zu Ende zu bringen. Im Endeffekt ist man sehr stolz darauf.
Wie lange bist Du jetzt hier in Scheideweg und wie hast Du uns überhaupt kennengelernt?
Ich bin jetzt seit drei Jahren in Scheideweg. Vorher habe ich einige Therapien gemacht und dann eine Einrichtung für betreutes Wohnen gesucht. Da habe ich über einen Kontakt hiervon erfahren.
Würdest Du uns sagen, wofür oder wogegen Du diese Therapien gemacht hast?
Bei mir ging es hauptsächlich um Depressionen und auch um Drogensucht. Ich nahm Ecstasy, Speed, eigentlich alles Mögliche.
Du bist dann nach Scheideweg in eine Wohngemeinschaft gezogen. „Wohngemeinschaft“ sagt nicht jedem etwas. Wie kann man sich das Leben in dieser Gemeinschaft vorstellen?
Dort kommen mehrere Leute wie ich zusammen, die Probleme in ihrem Leben haben und die daran etwas ändern möchten. Man ist meistens mit 4, 5 Leuten in der Wohngemeinschaft, lebt zusammen, gestaltet seinen Alltag. Jeder geht auf die Arbeit und man frühstückt zusammen, isst zusammen zu Abend und hat dann verschiedene gemeinsame Aktivitäten wie Sport oder den Einkauf. Da wächst man als Gemeinschaft zusammen und lernt das gemeinsame Leben mit seinen Herausforderungen, die dazu gehören.
Da hat Hilfe für Dich drin gesteckt bei diesem Thema, das du eben angesprochen hast: dem Durchhalten?
Oh ja, definitiv. Wenn man immer miteinander ist, vor allem mit Menschen, die man vorher gar nicht kannte, dann kommen Sachen dazu, die einen sehr herausfordern. Aber man lernt dann den Umgang damit.
Ich bin jetzt seit drei Jahren hier. Und ich habe in dieser Zeit gelernt, mich mit anderen Leuten auseinanderzusetzen, auch mit ihren Problemen: Sie zu verstehen, warum sie so sind, wie sie sind, und sie so anzunehmen. Das ist wirklich eine sehr lehrreiche Zeit für mich gewesen.
Jetzt ist Scheideweg ich eine christliche Einrichtung und hier geht es auch um den Glauben, um Gott und die Bibel. Wie war das für Dich?
Ich war vorher schon in der Kirche, aber ich hatte nie davon gehört, dass man eine persönliche Beziehung zu Jesus aufbauen kann. Das habe ich hier das erste Mal erfahren. Von Menschen in Scheideweg wird vorgelebt, wie man seinen Alltag mit Jesus gehen kann und das hat mich sehr erstaunt und mir imponiert. Genau das wollte ich dann leben. Dafür bin ich sehr dankbar, dass ich das heute tun kann, dass ich mein Leben für Gott lebe.
Jetzt kann sich – glaube ich – nicht jeder etwas unter dieser „persönlichen Beziehung mit Jesus“ vorstellen. Vielleicht kannst Du uns noch ein bisschen erklären, was das ist?
Dazu gehört mit Gott zu sprechen wie in einer menschlichen Beziehung auch. Man ist ständig im Gespräch mit Gott, ja, man kann wirklich alles mit ihm besprechen. Ob es gute Dinge, schlechte Dinge, emotionale Dinge sind: Mit ihm kann ich über alles sprechen und meinen Alltag mit ihm leben. Dazu gehört für mich auch, dass ich mich für ihn einsetze.
Dein Dialekt verrät, dass Du nicht aus dem Bergischen Land kommst. Woher kommst Du und wie ist das so mit Deiner Beziehung zu Deinen Eltern, zu Deinem früheren Umfeld?
Ich komme aus Koblenz, direkt am Rhein, eine sehr tolle Gegend. Mein Vater kommt aus Dänemark, da bin ich jedes Jahr mindestens einmal. Das ist meine zweite Heimat. Ich hatte damals, als ich Depressionen und Sucht noch sehr stark in mir hatte, eine schwierige Beziehung zu meinen Eltern. Mittlerweile hat sich das sehr deutlich gebessert. Seit ich in meinem Leben aufgeräumt und viele Dinge in Ordnung gebracht habe, ist das alles wieder zum Guten gekommen. Ich habe eine sehr gute Beziehung zu meinen Eltern und besuche beide regelmäßig.
Jetzt hast Du Deine Ausbildung in Geschenke Scheideweg abgeschlossen. Wie geht es weiter?
Ich bin jetzt noch etwa drei Monate hier im Scheideweg und arbeite weiterhin im Geschenkeladen und im Café. Dann werde ich mir dann eine neue Stelle suchen. Ich werde weiterhin hier wohnen, hier habe ich nämlich eine Trainingswohnung. Ich werde mir eine Arbeit in der Nähe suchen und da bin ich mir sicher, dass ich etwas Geeignetes für mich finden werde.
Lieber Nils, vielen Dank, dass Du uns von Dir erzählt hast!
Sehr gerne.