Jugendämter am Limit – Kinderschutz gefährdet?

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Personalnot im Allgemeinen Sozialdienst, finanzieller Druck und fehlende Jugendhilfeangebote gefährden Kinder und Jugendliche. Dazu berichtet aktuell die ARD

Köln (2mind) – Der Personalmangel in Jugendämtern und fehlende Angebote der Jugendhilfe gefährden den Kinderschutz. Das dokumentiert ein aktueller WDR-Beitrag. „Der Kinderschutz kann nicht mehr gewährleistet werden, weil die Sozialarbeiterinnen im ASD zu viele Familien betreuen und weil es wichtige Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe nicht mehr gibt“, sagte die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft ASD, Kerstin Kubisch-Piesk, dem Sender. „Das führt dazu, dass Kinder und Jugendliche in Situationen leben, die nicht gut für sie sind und sie ggf. entsprechende Hilfen nicht erhalten.“

Besonders betroffen ist der für den Außendienst zuständige Allgemeine Sozialdienst (ASD) der Jugendämter. „Ich glaube, wir können das Wächteramt oder den Kinderschutz, so wie es eigentlich vorgeschrieben ist, schon lange nicht mehr absichern“, sagte die ehemalige ASD-Mitarbeiterin Verena Bieler dem WDR. Zu Höchstzeiten war die Sozialarbeiterin für 137 Fälle. zuständig. „Da bleiben nicht mal fünf Minuten für ein Gespräch“, so Bieler.

Dass Jugendämter keine attraktiven Arbeitsbedingungen böten, sei auch den Sozialarbeitsstudierenden bekannt, so die Kinderschutzexpertin Kathinka Beckmann, die an der Hochschule Koblenz lehrt. „Das ist keine Übertreibung, sondern es ist wirklich eine noch nie dagewesene Krise innerhalb der Jugendamtsarbeit, aber damit auch innerhalb der Jugendhilfelandschaft“, sagte Beckmann dem WDR. Der Personalmangel sei eines der größten Probleme im ASD: „Wir haben Stellen, die einfach nicht mehr besetzt werden können“, so die Professorin. Durch die Überlastungen käme zudem ein sehr hoher Krankenstand in vielen ASD-Teams hinzu.

Ein Problem sei die unzureichende Finanzierung der Jugendämter angesichts knapper kommunaler Haushalte Die „Bindung der Kinder- und Jugendhilfefinanzierung an die Kommunen kann leider die Konsequenzen haben – und hat es auch schon vielfach gehabt, dass ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin Sparanweisungen an das Jugendamt weitergibt“, so Beckmann weiter. Der WDR hatte im Sommer die Leitungen von insgesamt 580 deutschen Jugendämtern angeschrieben, etwa 300 davon beantworteten die Fragen der Redaktion. Davon bestätigte fast ein Viertel, dass sie schon einmal von ihrer Kommune oder finanziell Verantwortlichen aufgefordert wurden, bei Hilfen zur Erziehung oder im Kinderschutz zu sparen.

Dazu teilte der Deutsche Städtetag dem WDR schriftlich mit: „Die Ausgaben in der Kinder- und Jugendhilfe haben sich innerhalb von nur 13 Jahren (…) weit mehr als verdoppelt (…). Angesichts der stark wachsenden Aufwendungen bei den Hilfen zur Erziehung könnte ein weiterer Weg sein, dass die Länder oder auch der Bund sich an diesen Kosten dauerhaft beteiligen.“

Ein Problem sind zudem fehlende Aufnahmekapazitäten in Jugendhilfeeinrichtungen. Das Kamerateam begleitete eine Mitarbeiterin des Jugendamtes Gelsenkirchen bei der Arbeit. Ihr Amtsleiter kommt in dem Beitrag ebenso zu Wort: „Es gibt eben Kinder, und zwar ganz viele und nicht nur in Gelsenkirchen“, so Björn Rosigkeit, „die wir aufgrund der aktuellen Situation nicht mehr bedarfsgerecht versorgen können, die wir nicht bedarfsgerecht unterbringen können, die wir vielleicht gar nicht unterbringen können, die wir vielleicht in belasteten Familien belassen müssen.“ In mehr als 12 Prozent der Jugendämter kam es bereits vor, dass ein Kind im Amt übernachten musste, so ein Ergebnis der am 8. Januar ausgestrahlten WDR-Recherche.

Dieser Text von 2mind ist lizenziert unter CC BY-SA 4.0

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